„Trans-Personen würde ich zusammenschlagen“ – Aussagen wie diese hat Marie (Name von der Redaktion geändert) schon von Mitschülerinnen und Mitschülern gehört. Die 17-Jährige aus Welzheim ist queer: Der Sammelbegriff bezeichnet Menschen, die sich in ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer sexuellen Identität nicht der heteronormativen Gesellschaft zugehörig fühlen. Für sie gibt es nun ein Angebot im Familienzentrum Schorndorf: das Queer Café – ein offener Treff für alle jungen Menschen, die sich als queer bezeichnen und deren Freundinnen und Freunde.
Marie identifiziert sich als omnisexuell: „Das heißt, dass ich zwar Präferenzen habe, in welches Geschlecht ich mich eher verliebe, aber das es eigentlich unwichtig ist.“ Zudem bezeichnet sie sich als „agender“: Sie fühlt sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Offiziell ist die Schülerin vor den meisten Menschen nur als omnisexuell geoutet. Die Reaktionen ihres Umfelds sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Maries Familie unterstützt sie: „Mein Vater geht sogar mit mir auf den CSD.“ Das sei nicht selbstverständlich, besonders fällt ihr das bei feindseligen Kommentaren ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden auf. Sie habe auch schon Videos zugeschickt bekommen, in denen Regenbogen-Fahnen zerstört werden. Ihrer Meinung nach sollten mehr Menschen nach dem Motto „Leben und leben lassen“ handeln.
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass sich in Deutschland mehr als neun Millionen Menschen als lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell oder anderweitig als queer identifizieren. Auf den Rems-Murr-Kreis bezogen, sind das laut Richard Horváth, Sozialpädagoge bei Pro Familia Waiblingen, einige Tausend junge Menschen. „Gerade in den Beratungen mit Jugendlichen fällt auf, dass es ihnen an gleichaltrigen Kontakten fehlt, viele fühlen sich alleine“, sagt Richard Horváth. Bei Pro Familia bietet er unter anderem Beratung für queere junge Menschen an.
Probleme Betroffener seien oft Mobbing aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Diskriminierung und wenig soziale Kontakte in der Schule sowie Konflikte mit den Eltern. Sind die Jugendlichen von Mobbing betroffen, so versucht der Sozialpädagoge mit ihnen an ihrem Selbstwert und dessen Stärkung zu arbeiten. Für Eltern bietet er ebenfalls Gespräche an: „Wir sprechen über die Angst der Eltern. Sie wissen, wie schwer der Weg sein kann, gerade bei Transkindern.“ Leider ist unsere Gesellschaft nach wie vor sehr homo- und transphob, findet Richard Horváth.
In seinem Freundeskreis gibt es keine Probleme, sagt der 15-jährige Noah (Name von der Redaktion geändert), Diskriminierung hat er eher in der Schule erfahren: Direkt nach seinem Outing sei der ein oder andere „lustige“ Spruch von anderen Schülerinnen und Schülern keine Seltenheit gewesen. Auch mit Lehrkräften sei es anfangs nicht einfach gewesen: Die Schule habe eine Einwilligung seiner Eltern gefordert, um ihn im Unterricht bei seinem neuen Namen, Noah, ansprechen zu dürfen. Das hat den Schüler dazu gedrängt, sich auch bei seinen Eltern zu outen. „Ich identifiziere mich als trans und schwul, wobei ich mir jedoch nie wirklich sicher bin“, sagt Noah. Er ist froh darüber, dass es immer mehr Angebote wie das Queer Café gibt: „Es gibt einem die Möglichkeit, andere queere Leute zu treffen und sich mit ihnen in einer sicheren Umgebung auszutauschen.“
Vorgestellt wurde das Konzept für das Queer Café erstmals während des Netzwerktreffens „Vielfalt leben – queer im Rems-Murr-Kreis“ im Februar. Aus der Kooperation zwischen Pro Familia Waiblingen, dem Jugendreferat Weinstadt, der Mobilen Jugendarbeit Schorndorf und dem Familienzentrum Schorndorf hat sich mittlerweile ein monatliches Angebot entwickelt.
Noch wird das Queer Café von den kooperierenden Einrichtungen betreut, Ziel ist aber eine Selbstverwaltung, sagt Richard Horváth: „Das Konzept sieht vor, dass sich eine feste Orgagruppe bildet.“ Ansprechpersonen wollen die Sozialpädagogen der Einrichtungen dennoch bleiben, gerade bei größeren Aktionen. Momentan ist eine Laufgruppe für den CSD in Schwäbisch Hall in Planung, dafür werden im Queer Café Plakate gebastelt, so Richard Horváth. Der 41-Jährige freut sich darüber, wie gut der Treff angenommen wird: Beim ersten Café im Mai kamen rund 20 junge Menschen, im Schnitt sind sie 16 Jahre alt. Sie kommen Richard Horváth zufolge aus dem gesamten Rems-Murr-Kreis, auch aus Backnang.
Einige seien noch nicht so sicher in ihrer Identität, viele seien unsicher. Das Ziel des Queer Cafés: „Sie sollen sehen, dass sie nicht allein sind, es gibt Unterstützung.“ Nach wie vor sorgen queere Themen für Aufregung in der Gesellschaft. Es gebe die Annahme, dass Jugendliche durch die Thematisierung sexueller Identität verwirrt und verunsichert werden. Richard Horváth ist anderer Meinung, für ihn ist Sexualität vielfältig und ein Teil unserer Gesellschaft: „Nur dadurch, dass es nicht mehr als Tabuthema behandelt wird, kann eine Akzeptanz kommen.“
Das Queer Café findet einmal im Monat, immer an einem Freitag, im Familienzentrum Schorndorf, Karlstraße 19, statt. Die kommenden Termine in 2025 sind 24. Januar; 21. Februar; 21. März; 11. April; 16. Mai; 27.Juni; 18.Juli
Zur Website: https://www.familienzentrum-schorndorf.de/angebote/queer-cafe
Zu Instagram: Queercafé Schorndorf (@queercafe.schorndorf) • Instagram-Fotos und -Videos