Erschienen am 16.11.2024 in den Schorndorfer Nachrichten, verfasst von Yvonne Weirauch
Sich im Ehrenamt zu engagieren, Menschen zu helfen und sie zu unterstützen – für Mechthild Dierlamm-Harth, Reinhold Keller und seine Frau Roswitha eine Selbstverständlichkeit. Seit gut zweieinhalb Jahren gehören sie zu einem „festen ehrenamtlichen Kern“ der Sprachförderung des Familienzentrums Schorndorf.
„Das Wirken vieler Ehrenamtlicher geht oft über das eigentliche Engagement im Sprachkurs hinaus“, lobt Uta Panke vom Bereich Ehrenamtsförderung in der Flüchtlingshilfe (Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement – Fachbereich Familie und Soziales).
Mechthild Dierlamm-Harth, Oberstudienrätin i.R., erteilt beispielsweise ehrenamtlich Deutschunterricht für Geflüchtete. Roswitha und Reinhold Keller sind Sprachhelfer für Geflüchtete speziell aus der Ukraine und bieten zweimal in der Woche für 90 Minuten Sprachkurse im Familienzentrum an. Ein niederschwelliges Sprachangebot solle es sein, erläutert Reinhold Keller. Sein erlernter Beruf: Lehrer. Er sagt lachend: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit meiner Frau unterrichte.“ Beide ergänzen sich sehr gut: „Ich bin der Kopf und sie das Herz“, sagt Keller scherzend. Was damit gemeint ist: Roswitha Keller nehme die Kursteilnehmerinnen – meist sind es Frauen – auch mal in den Arm. „Ich bremse meinen Mann manchmal, dass er nicht ganz so ehrgeizig an die Sache rangeht“, sagt die gelernte Krankenschwester.
Warum sich das Paar für diese ehrenamtliche Tätigkeit entschieden hat? Als die erste Flüchtlingswelle 2015 ein Thema war, habe man noch zu wenig Zeit gehabt – „aus privaten und beruflichen Gründen war es noch nicht möglich, dass wir uns ehrenamtlich einsetzen“, erzählt Roswitha Keller. Dann, nach der Corona-Pandemie, sei aber immer mehr der Gedanke gereift, sich zu engagieren. Reinhold Keller: „Motiviert sind wir dadurch, die Zeit sinnvoll zu nutzen und anderen in schwierigen Lebenssituationen zu helfen.“ Ihr Leitmotto sei: „Wie würde ich gerne behandelt werden, wenn ich Flüchtling wäre?“So versuchen sie zu helfen, wo Hilfe nötig ist. In den Sprachkursen vermitteln sie den Grundwortschatz im Deutschen, Unterstützen im Alltag und bei der Integration. Ebenso wie Mechthild Dierlamm-Harth. Bis 2021 war sie im Lehramt tätig, hat Deutsch und Französisch unterrichtet – das ist heute von großem Vorteil. „Mit geflüchteten Afrikanern kann ich mich gut auf Französisch verständigen, wenn es mit dem Deutschen noch nicht so klappt“, sagt sie. Mit viel Herzblut hat sie sich beispielsweise auch in Miedelsbach engagiert, als die Tannbachhalle erste Zuflucht für Geflüchtete war. Oft gehe das Lehren in den Sprachkursen auch in eine Art Sozialarbeit über, so Dierlamm-Harth.
Für die Fürsorglichkeit – sei es bei einer Begleitung zum Arzt, beim Ausfüllen von Dokumenten oder beim Klären von schriftlichen Angelegenheiten mit den unterschiedlichsten Ämtern – bekomme man sehr viel Dankbarkeit entgegengebracht. Das erlebt auch das Ehepaar Keller: „Manchmal wird man nur zum Zuhörer.“ Einer ihrer ältesten Kursteilnehmer sei 80 Jahre alt, er erzähle oft von seiner Familie, vom Krieg in der Ukraine, bei dem er jüngst seinen Sohn verloren hat.
An einen jungen Mann erinnert sich Reinhold Keller ganz besonders, so eindrücklich sei dessen Lebenslauf. Vor gut zwei Jahren seien fünf Farbige in den Kurs gekommen – aus der Ukraine. Marcair Kemayou war einer davon (). Keller: „Wäre ihm nicht der Ukraine-Krieg dazwischengekommen, würde er an seiner Uni im ukrainischen Charkiw im zweiten Semester Medizin studieren.“Der aus Kamerun stammende Mann und weitere Kommilitonen mussten aufgrund des russischen Angriffs flüchten. In Schorndorf kümmerten sich neben anderen Ehrenamtlichen auch Reinhold und Roswitha Keller um Marcair. Sein Traum zum damaligen Zeitpunkt sei es gewesen, im medizinischen Bereich eine Ausbildung zu machen – etwa als Krankenpfleger, Rettungsassistent oder als Medizinisch-Technischer Assistent (MTA). Durch die Kontakte von Roswitha Keller konnte er mittlerweile eine Stelle im Krankenhaus Ruit annehmen.
In der Zuwanderung sei durchaus eine große Chance zu sehen, fügt Mechthild Dierlamm-Harth an. Sie erlebe häufig einen ausgeprägten Ehrgeiz bei denen, die klare Zukunftsvorstellungen haben: „Da gibt es Berufswünsche im Handwerksbereich oder in der Pflege. Von einem weiß ich, dass er Lokomotivführer werden möchte.“
Sprachkurse zu besuchen, sei das eine. Die Kommunikation im Alltag sei das andere. „Viele wünschen sich mehr Kontakt zu Deutschen, weil sie ganz klar sagen, dass ihnen die Sprachpraxis fehlt.“ Damit seien immer noch Herausforderungen verbunden.Gibt es überhaupt noch Interesse an einem Ehrenamt? Bei Uta Panke bewerben sich beispielsweise Menschen, die Interesse an einem Engagement haben, aber nicht so recht wissen, welche Aufgaben eigentlich in Schorndorf anliegen. „Es gibt aber auch Bewerber, die klare Vorstellungen haben, was sie machen möchten, und eher dann aufzählen, was sie nicht wollen oder was nicht infrage kommt – dann wird es für uns schon schwieriger“, gibt Panke zu.
Ob Einzelbetreuung, freiwilliger Dienst, Gruppenangebote oder -betreuung – es gebe viele Bereiche, in denen man sich ehrenamtlich engagieren könne, sagen Simone Halle-Bosch (Leitung Familienzentrum) und Uta Panke: „Es ist auch nicht so, dass wir in dem einen oder anderen Bereich mehr oder weniger Bedarf hätten. Überall wird Unterstützung benötigt.“ Wer jetzt schon ehrenamtlich tätig ist, gibt oft Rückmeldung, „welche Kenntnisse fehlen oder welche Nachfragen es gibt“. Panke: „Da bemühen wir uns, die richtigen Referenten zu finden, die unsere Ehrenamtlichen schulen. Vier Fortbildungen im Jahr werden meist angeboten.“
Offene Beratung (Sprechstunde): Montags 13 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung. Kontakt per Mail an Engagement@schorndorf.de; Ort: Im Familienzentrum, Karlstraße 19, Schorndorf. Ansprechpartnerinnen: Simone Halle-Bosch, Leitung Fachstelle, Mail: simone.halle-bosch@schorndorf.de; Telefonnummer 07181/602-3330 und Uta Panke, Ehrenamtsförderung in der Flüchtlingshilfe, Mail: uta.panke@schorndorf.de; Telefonnummer 07181/602-3314.